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Meister der Rehwildhege – im Revier mit Rudi Knaack

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Wir haben von ihm gehört, konnten es aber nicht ganz glauben – Rudi Knaack soll in seinem Revier jedes Jahr Goldmedaillenböcke erlegen, obwohl es die Gegend eigentlich gar nicht hergibt. JÄGER-Redakteurin Dr. Nina Krüger hat sich auf die Spur seines Erfolgsrezepts gemacht. 

Mit sichtlichem Stolz öffnet er mir die Tür in sein Reich. Rudi Knaack ist so etwas wie eine Legende unter den Rehwildhegern, und ich habe mich auf den Weg zu ihm in die Uckermark gemacht, um ihm das oder die Geheimnisse seines Hegekonzepts zu entlocken.

Rudi Knaack vor seiner Trophäen- wand: ein Abbild seiner jahrzehnte- langen von Erfahrung und Verstand geprägten Hegebemühungen. @ Pauline von Hardenberg pvh-160330-KNAACK-3657Pauline von Hardenberg Rehwild Rehbock Bock Böcke Rudi Knaack

Rudi Knaack vor seiner Trophäenwand: ein Abbild seiner jahrzehntelangen von Erfahrung und Verstand geprägten Hegebemühungen. ©Pauline von Hardenberg

Knaacks Revier

Knaacks Wände hängen nicht nur voll mit Bocktrophäen, von denen so mancher Jäger nur träumen kann, die meisten ziert auch noch eine Bronze-, Silber oder gar Goldmedaille. Dabei sind die Voraussetzungen in seinem Revier eigentlich nicht ideal. Seit den 1980er Jahren bejagt er ein 810 Hektar großes Feldrevier, in dem die Bodenwertpunkte zwar von 36 bis 60 rangieren, die Schläge aber riesig sind und Wald allenfalls als Wäldchen vorhanden ist. Es gibt zwar Einstände in Form von Feldholzinseln und Söllen, aber die alljährliche Erntezeit verwandelt die Landschaft in eine Agrarsteppe ohne Äsung – fast. Woher kommen die Ausnahmeböcke mit den Gehörngewichten jenseits der 400 Gramm, will ich wissen. „Das ist nur durch intensive Arbeit möglich“, lässt Knaack mich wissen.

Mosaik Rehwildhege

Um Rehwild tatsächlich richtig hegen zu können, müssen Reviere eine vernünftige Größe haben, so die Erfahrung des 75-Jährigen. Auf den kleinen Parzellen um die 100 Hektar, wie sie vielerorts üblich seien, könne man nicht viel ausrichten. Ein paar hundert Hektar müsse man schon haben, um Ergebnisse sehen zu können. Außerdem gleiche die Rewildhege einem Mosaik, in dem jedes Steinchen seinen Platz habe. Schenke man nur einem keine ausreichende Beachtung, müsse man die Fehler oft jahrelang ausbaden. „Den Grundstein bildet das Verständnis der Bedürfnisse dieser Wildart und die enge Zusammenarbeit mit den Landwirten sowie Reviernachbarn“, so Knaack.

Knaack erzählt anhand des Gehörns die Geschichte dieses Bocks. Alt war er, der Reiterknochen rührt von einer Forkelverletzung. Außerdem fehlte dem Reifen ein Hinterlauf. @Pauline v. Hardenberg Rehwild Rehbock Bock Böcke Rudi Knaack

Knaack erzählt anhand des Gehörns die Geschichte dieses Bocks. Alt war er, der Reiterknochen rührt von einer Forkelverletzung. Außerdem fehlte dem Reifen ein Hinterlauf. ©Pauline v. Hardenberg

Bloß kein Stress

Hatte ich bislang geglaubt, dass Rehwild im Unterschied zum Rotwild weniger anfällig für Störungen durch Jagd, Landwirtschaft und Freizeitbeschäftigungen sei, wurde ich eines besseren belehrt. Laut Knaack ist Rehwild die stressanfälligste Wildart überhaupt, die zu hohe Beunruhigung sofort mit Kümmern, Kitzsterblichkeit und geringeren Trophäen quittiere. Druck durch freilaufende Hunde, querfeldeinmarschierende Spaziergänger und Reiter, aber auch Beunruhigung durch ständige jagdliche Aktivitäten, seien schädlich für das Rehwild. Dies sei oft der Grund, wenn Ricken nur ein Kitz führten. Sauen im Revier hingegen störten Rehwild weit weniger, als landläufig geglaubt wird. Die Bejagung schließt Knaack alljährlich Ende Oktober ab, bevor sich das Rehwild in Sprüngen sammelt, damit über die Wintermonate Ruhe einkehren könne. Damit halte man das Rehwild auch tagaktiv.

Angepasste Wilddichte

Die Rehwilddichte in Knaacks Revier beträgt zehn bis zwölf Stück auf 100 Hektar. Früher seien es mehr gewesen, aber die heutige Dichte sei für sein Revier ein Erfahrungswert, der mit den Gegebenheiten übereinstimme. Beim Revierrundgang zeigt sich, dass er eigentlich jedes Stück kennt und schon Anfang April weiß, wer wo steht. Das Frühjahr nutzt er, um sich einen Überblick über seinen Bestand zu verschaffen und zu entscheiden, welcher Bock reif ist und welche Ricke unter Beobachtung gehört.

Zähne eines Reifen: als wären sie aus Perlmut – dank Phacelia. @Pauline von Hardenberg pvh-160330-KNAACK-3703Pauline von Hardenberg Rehwild Rehbock Bock Böcke Rudi Knaack

Zähne eines Reifen: als wären
sie aus Perlmut – dank Phacelia. ©Pauline von Hardenberg

Knaacks Selektion

Viele Jäger würden bei der Hege vergessen, dass es nicht nur auf die Böcke ankomme, sondern auch zu 50 Prozent auf die Ricken. Ricken, die nur schwache, wiederholt nur einzelne oder keine Kitze führen, entnimmt Knaack aus dem Bestand. Ebenso wie alle Kitze, die im November nicht über zehn Kilogramm (aufgebrochen) hinauskommen würden. Bei Kitzpärchen erlegt Knaack grundsätzlich das schwächere, häufig sei dies ein Bockkitz. Und führt eine Ricke gar zwei Bockkitze, würden beide in der Truhe landen. Er habe die Erfahrung gemacht, dass solche Zwillinge nie über die 300-Gramm-Marke hinaus kämen. Erstaunlich, würde man doch mancherort förmlich gelyncht, käme man auf so eine Idee. Knaacks starke Trophäen geben ihm jedoch Recht.

Entgegengesetzt der üblichen Praxis, bejagt er Rehwild im Mai so gut wie gar nicht. Jährlinge, außer Knopfböcke, sind in seinem Konzept nämlich bis auf Ausnahmefälle tabu. Ebenso Schmalrehe. Bei ihnen stünden nämlich die dicken Böcke. Die Blattzeit ist für die reifen Böcke reserviert und für solche, die Knaack in schöner Regelmäßigkeit die Hegenadel des Hegerings bescheren und auf die er besonderes Augenmerk legt – die alten, zurückgesetzten Böcke, die das Alter von acht bis zehn Jahren überschritten haben.

Stark zurückgesetzt: Die Erlegung solch uralter Böcke bereitet Rudi Knaack besondere Freude. ©Pauline von Hardenberg pvh-160330-KNAACK-3631Pauline von Hardenberg Rehwild Rehbock Bock Böcke Rudi Knaack

Stark zurückgesetzt: Die Erlegung solch uralter Böcke bereitet Rudi Knaack besondere Freude. ©Pauline von Hardenberg

Zwei Wunderwaffen 

Dass es Knaack nicht nur um die Trophäen an sich geht, bemerkt man schnell. Er liebt „sein“ Wild, er versteht es und kennt seine Bedürfnisse. „Man muss auch verzichten können und die Böcke alt werden lassen“, sind seine weisen Worte. Er investiert trotz seines fortgeschrittenen Alters und einiger gesundheitlicher Probleme immer noch eine Menge Zeit und Arbeit, um die Kulturlandschaft seines Reviers wildfreundlich zu gestalten. Eine seiner Wunderwaffen sind Apfelbäume, von denen er viele im Laufe der Jahre gepflanzt hat. Sie bieten Äsung bis in den Winter hinein und haben den Ruf, das Gehörnwachstum positiv zu beeinflussen.

Eine andere sind Äsungs- und Verbissflächen. Viele Kleinstflächen von 20 bis 50 Quadratmeter seien viel effektiver als wenige große Wildäcker. Erstens könne man den Landwirten solche Ecken viel besser abschwatzen. Und zweitens würde die konstante Beäsung verhindern, dass Luzerne und Klee so auswüchsen, dass sie für das Rehwild uninteressant würden. Außerdem bieten sie den Vorteil, das Revier abwechslungsreicher zu gestalten, was auch vielen anderen Arten, von Insekten über Kleinsäuger bis hin zu Vögeln, zugute kommt. Dazu kommt eine scharfe Raubwildbejagung. Seit Knaack einmal 16 Kitzschädel an einem einzigen Fuchsbau gefunden hat, ist er Reineke besonders übel gesonnen und rückt ihm auf den Pelz, wo er ihn kriegen kann.

Rudi Knack zeigt JÄGER-Redakteurin Dr. Nina Krüger sein Revier- Überall kommt Rehwild in Anblick @Pauline v. Hardenberg Rehwild Rehbock Bock Böcke Rudi Knaack

Rudi Knack zeigt JÄGER-Redakteurin Dr. Nina Krüger sein Revier @Pauline v. Hardenberg

Wertvolle Blühstreifen

Schon seit einiger Zeit nimmt Knaack auch an einem Versuchsprojekt zusammen mit Professor Dr. Stubbe teil, bei dem die Wirkung von Blühstreifen zwischen unterschiedlichen Ackerkulturen erforscht werden soll. Gesät wird Phacelia und Buchweizen. Mit durchschlagen- dem Erfolg. „Was der Mais für die Sauen ist, ist Buchweizen für das Rehwild“, stellt Knaack fest. Die Stücke seien überhaupt nicht mehr aus den Ackerstreifen herauszubekommen. Das Rehwild ist nicht der einzige Profiteur dieser Reviermaßnahme. Die Blühstreifen bieten vielen anderen Wildtieren Lebensraum und stellen Verbindungen zwischen Biotopen her. So entstehen Wanderrouten für Kleinlebewesen. Ein Beispiel, wie jagdliches Engagement schlussendlich den gesamten Lebensraum verbessert.

Rudi Knack zeigt JÄGER-Redakteurin Dr. Nina Krüger sein Revier- Überall kommt Rehwild in Anblick @Pauline v. Hardenberg Rehwild Rehbock Bock Böcke Rudi Knaack

Überall kommt Rehwild in Anblick @Pauline v. Hardenberg

Irgendwann ist Schluss

Betrübt höre ich am Ende unseres Gesprächs, dass dunkle Wolken über dem scheinbaren Paradies hängen. Langsam fühle Rudi Knaack sich zu alt für die viele Arbeit. Nicht nur er, auch seine Frau, die ihn früher oft zur Jagd begleitete, seien angeschlagen, und die Kinder hätten meist anderes zu tun, als dem Vater zu helfen. Was Knaack jedoch in seinem Revier geschaffen hat, ist zwar einmalig, für einen wie ihn aber kein Hexenwerk. Es wäre ein Jammer, wenn so eine Revierperle keinen Folgepächter mit der gleichen Bereitschaft zur Opferung all seines Herzbluts fände – jedenfalls für das Rehwild in dieser Region.

Der Beitrag Meister der Rehwildhege – im Revier mit Rudi Knaack erschien zuerst auf Jäger.


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