Die Krone der Jagd ist eine echte Herausforderung. Denn nur wenige Leute kehren von der Pirsch mit vollem Kofferraum zurück. Wir haben Saujagdexperte Max Götzfried ein Wochenende lang begleitet und mussten feststellen, dass Kunst von Können kommt.
Die beste Nachricht zuerst: Das Jagdwochende ist fast vorbei, und alle sind gesund und munter. Die gute Nachricht: Die Strecke beträgt fünf Böcke und vier Sauen. Die nicht mehr ganz so gute Nachricht: Vier Jäger haben nur einen Bock und eine Sau erlegt. Und zum Schluss die bittere Pille: Max Götzfried fährt mit vier Böcken und drei Sauen nach Hause. Wenn Jagd ein Wettbewerb wäre, dann wäre das hier eine empfindliche Klatsche für uns Amateure. Gut, die Wettbewerbsverzerrung sei angemerkt: Götzfried jagt unglaublich viel, ist so etwas wie ein Profi. Außerdem trinkt er abends kein Bier. Und morgens erst recht nicht. Und irgendwie ist er „anders“ passioniert. Wenn wir über Jagd reden, dann leuchten seine Augen und er tut so, als könne er von uns noch was lernen. Und im Unter- schied zu anderen Cracks stellt er sogar Fragen. Bei nicht jagdlichen Themen aber wirkt er seltsam abwesend. Wahrscheinlich plant er gedanklich schon seine Frühpirsch, ist „im Tunnel“, wie einst Hackl Schorsch vor den olympischen Rodelfahrten. Er sagt es nicht, aber man merkt ihm an, dass er ehrgeiziger ist als wir. Ist Jagd etwa doch ein Wettbewerb? Und haben nicht die Steinzeitjäger schon so um die Gunst der Frauen geworben? Doch was hat er, was wir nicht haben?
Was uns fehlt
Nun, da wäre zunächst eine beispiellose Passion. Keine Uhrzeit ist ihm zu unchristlich. Kein Wetter zuwider. Kein Revier zu sandig. Der Mann steht nicht auf. Er ist längst wach. Und er kommt erst wieder, wenn die Wildwanne voll ist. Am zweiten Abend unseres Wochenendes habe ich einen großen Fehler gemacht. Ich habe eine Sau erlegt. Das hätte ich nicht tun sollen. Als Götzfried feststellen muss, dass auch dieses Revier über die heißbegehrten Schwarzkittel verfügt, da übermannt ihn der Beutetrieb. Gleich am nächsten Morgen bietet er sich zur Wildschadensverhütung an. Im Weizen. Ganz uneigennützig. Als nichts gekommen sei, so sagt er später, da habe er sich einfach auf die Suche nach den Sauen gemacht. Denn irgendwo in dem 20 Hektar Schlag habe er es einmal kurz Grunzen gehört. Er sei „einfach an einer günstigen Stelle eingetaucht“, sagt er später. Mit gutem Wind. Auf leisen Sohlen. Barfuß, leise, unaufhaltsam. Und als die Rotte irgendwann vor ihm gestanden habe, da hätte er sich schnell zwei Frischlinge herausgepickt. „Und der Keiler auf dem Heimweg?“, entfährt es uns zähneknirschend. „Pures Glück“, sagt er breit grinsend. Bescheiden ist er auch noch. Warum auch prahlen? Und außerdem ist Jagd sowieso kein Wettbewerb. Unser Glück, denken wir – und legen uns wieder hin. Irgendwann, während mein Zimmernachbar in seiner zweiten Tiefschlafphase konzentriert vor sich hin schnarcht, schießt Max Götzfried seinen vierten Bock an diesem Wochenende. Als er später zur Jagdhütte kommt, um davon zu berichten, schaut er in ratlose Gesichter. Die blicken ihn verschlafen an. Keine weiteren Fragen.
Hier kommen sieben todsichere Pirsch-Tipps von Max Götzfried:

Pirschkönig Max Götzfried in seinem Element: Er ist der lebende Beweis, dass Pirschkunst von pirschen können kommt. © Pauline v. Hardenberg
Tipp 1 – Die Lage prüfen
Bevor es wirklich losgehen kann, empfiehlt sich immer eine möglichst genaue Aufklärung vor Ort, in die viele Faktoren einfließen. Da wäre die unheimlich wichtige Wahl der richtigen Ausrüstung: Jede Wildart kann zu jeder Jahreszeit und in jedem Gelände andere Anforderungen an den Pirschjäger, seine Taktik, aber auch seine Ausrüstung stellen. Während zum Beispiel Handschuhe oder gedeckte Farben bis hin zur Tarnkleidung für Rotwild ratsam sind, ist es zur Blattzeit für Böcke auf Freiersfüßen der Blatter und bei der Nachtjagd auf Sauen die gute Nachtoptik, am besten eine Wärmebildkamera, die zum frühzeitigen Entdecken des Objekts der Begierde fast unerlässlich ist.
Tipp 2 – Die ideale Route
Ist das Wild entdeckt, gilt es, einen möglichst perfekten Angehplan zu schmieden. Dieser muss sich am voraussichtlichen Verhalten des Wildes orientieren, also insbesondere den Wind sowie die eigene Deckung beachten. Je nach geplanter oder möglicher Schussentfernung wird die eigene Lautstärke immer wichtiger, also die Route mit dem leisesten Untergrund auswählen und – die Schuhe aus! Bei unruhigem Wild gilt es, eventuelle Stellungswechsel vorauszuahnen und so Wege abzuschneiden, um unnötige Gänge oder ein hinterherhecheln zu vermeiden.
Tipp 3 – Ruhe bewahren
So schwer es fällt: Ruhe bewahren! Dieser Part ist vor allem für mich oft der schwerste. Sind die Begebenheiten denkbar ungünstig, lohnt sich nur selten der Risikoweg. Oft sind bessere Umstände nur eine Frage der Zeit, weil das angepeilte Stück irgendwann eine offenere Stelle oder eine Überriegelung ansteuert und dann besser angegangen werden kann. Oder aber man weiß aus der eigenen Vorplanung nur ungefähr, wer wann wohin ziehen wird, und eröffnet die Pirsch quasi mit einem Ansitz. Ein altes Sprichwort lautet nicht umsonst, man sollte eher pirschen-stehen als -gehen. Daran halte ich mich, weil ich gelernt habe, dass Hast bei der Pirsch niemals Erfolg bringt, Geduld aber sauwichtig ist.
Tipp 4 – Der Trichter
Die Krux des Pirschens ist es immer, das Wild zu entdecken, bevor es einen selbst entdecken kann. Denn nur so kann man den Vorteil nutzen und die weitere Strategie selbst aushecken, anstatt zu einer schnellen, vielleicht überhasteten Reaktion gezwungen zu sein. Am simpelsten ist die Kindermethode, einen Schalltrichter um sein Ohr zu formen. Es ist erstaunlich, um wie viel früher wir allesamt Knallgeschädigten dann eine zwar unsichtbare, aber leicht schmatzende Getreidesau entdecken und lokalisieren können.
Tipp 5 – Der passende Pirschstock
Der Schuss auf der Pirsch ist ungleich schwieriger als alle anderen. Ein Pirsch- oder Schießstock ist daher unerlässlich. Je nach Art der Pirsch und Distanz der zu erwartenden Schussabgabe variieren dann auch die Anforderungen an das Hilfsmittel: Je weiter der Schuss, desto stabiler muss der Stock sein, am besten ein zwei-, drei- oder sogar vierbeiniger. Je näher das Ziel und je komplizierter die Pirsch, desto eher ist ein einstämmiger Stock oder gar ein Hüftstock á la Steadify anzuraten, da mehrere Beine dann oft störend und klapprig wirken. Auf was auch immer die Wahl fällt, höhenverstellbar sollten die Zielhilfen alle sein.
Tipp 6 – Alles genau merken
Die größte Schwierigkeit bei der Pirsch bildet oft das Auffinden des Anschusses, ja sogar des eigenen Standpunkts bei Schussabgabe zwecks späterer Rekonstruktion. Daher sollte man immer unbedingt den eigenen Standpunkt markieren, bevor man ihn verlässt, am besten in Kombination mit der Schussrichtung. Erst dann auf zur Anschusssuche, auch dieser muss gut erkennbar verbrochen werden, am besten mit auffälligem Markierband. In einem Weizenmeer etwa sieht sehr schnell jeder Halm wie die Millionen anderen aus. War die Pirsch erfolgreich, gilt es oft, den besten Bergeweg zu finden. Auch dafür muss der Anschuss verbrochen werden, nicht dass man ein schon sicher geglaubtes Stück doch noch verliert – weil man es einfach nicht wiederfindet!
Tipp 7 – Der Klügere gibt nach
Nicht immer ist unbedingter Wille so zielführend wie in diesem Jahr beim Bundesligaaufsteiger im unserem Revier, dem SV Darmstadt 98: Manchmal ist es klüger, sich still und heimlich ungesehen zurückzuziehen, um auf besseres Licht, Wetter oder andere Protagonisten im Spiel zu warten. Das Scheitern-können ist eine der großen Herausforderungen bei der Jagd. Und morgen ist auch noch ein Tag!
Der Beitrag Sieben Pirschtipps von Max Götzfried erschien zuerst auf Jäger - Deutsche Jäger-Zeitung seit 1883.