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Unverwertbare Frischlinge erlegen?

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JÄGER-Diskussion 

Ein Thema – zwei Expertenmeinungen

Aus Osten ist die Afrikanische Schweinepest (ASP) im Anmarsch. Je niedriger unsere Sauenbestände, desto geringer ist das Ansteckungsrisiko. Macht es in diesem Fall Sinn, selbst unverwertbare Frischlinge zu erlegen?

Norbert Happ

Bei zwei Sachverhalten habe ich einen hundertprozentigen Schwenk vollzogen und stehe dazu: die Bachenbejagung und die Erlegung nicht verwertbarer Frischlinge. Bei den Bachen habe ich zu lange geglaubt, allenthalben gäbe es so viele alte wie in meinem „Saubekanntenkreis“: weit gefehlt! Lange war ich bemüht, sozial entbehrliche Beibachen zu erlegen; eine kaum lösbare Aufgabe. Erfahrung und Umschauen an Strecken lehren, dass ohnehin zu viele Bachen fallen. Für die ASP-Prophylaxe und zur Lösung des Schwarzwildproblems sind sie jedoch unentbehrlich. Bis dato habe ich die Verwertbarkeit bei der Jagd gepredigt. Die Aussage muss ich angesichts der bedrohlichen Näherung der Afrikanischen Schweinepest aufgeben. Zunächst muss jeder für sich klären, ab welchem Gewicht er Sauen verwerten will. Wir essen Hasen, ausgeworfen drei bis vier Kilogramm, Kanin mit eineinhalb bis zwei Kilogramm und Kitze, die im September sechs bis zehn Kilogramm wiegen. Warum erlegen wir keine kleinen Frischlinge und verzehren sie auch? Es könnte sein, dass uns die possierliche Streifung abhält. Wo die Reduzierung der Sauen nicht gelingt und weil die ASP näher rückt, ist die Bejagung unter der individuell festgelegten Verwertungsgrenze als Ultima Ratio eigentlich eine Bankrotterklärung der Jäger. Fangen wir aber auf jeden Fall in der Rotte hinten an. Im Sommer darf man im Wald nicht gezielt jagen, die Sauen sollen nicht ins Feld oder zum Vagabundieren gebracht werden. Dafür, wie man im Feld kleine Frischlinge sehen und erlegen will, fehlt mir die Erfahrung. Am besten repariert man die Bestände durch richtiges Bejagen so, dass zur herbstlichen Hauptjagdzeit ganz kleine Frischlinge die Ausnahme sind. Wo man die Sauen nicht anders in den Griff bekommt, muss deren Abschuss halt sein. Am besten macht das jeder nach seinem Gusto, mit seinem inneren Jäger und seiner Küche aus; ganz ablehnen kann man ihn in der momentanen Situation sicher nicht.

Patrick Junge

In der Zeit meiner jagdlichen Erziehung durch meine Eltern wurde mir noch beigebracht, dass ein respektvoller Umgang mit dem Wild sehr wichtig ist. Umso mehr verwundert mich, dass in den letzten Jahren regelmäßig zu einem Vernichtungsfeldzug gegen die Sauen aufgerufen wird und angebliche Jäger mit allerlei technischen Hilfsmitteln alles Mögliche auf die Beine stellen und sogar die Nacht zum Tage machen, um die „Schwarze Pest“ zu bekämpfen. Immer wieder wird gefordert, auch die gestreiften Frischlinge zu bejagen, um dem Zuwachs Herr zu werden. Da kommen die dunklen Wolken am Horizont bzw. Polen in Form der ASP wie gerufen, um wieder einmal den Kindermord in Wildschweinhausen zu proklamieren. Für mich ist das ein Armutszeugnis für uns Jäger, wenn wir es nur noch schaffen, unsere Bestände auf diese Art in den Griff zu bekommen. Generell halte ich es nicht für richtig, mit zweierlei Maß zu messen. Ich habe noch keinen Reh- und Rotwild hassenden Förster erlebt, der gefordert hat, dass Kitze und Kälber drei Wochen nach Erblicken des Lichts der Welt um die Ecke gebracht werden sollen. Denn von Erlegen kann ich bei gestreiften Frischlingen nicht sprechen. Warum soll dann bei den Sauen so verfahren werden? Dazu kommt, dass wir auf der einen Seite bemüht sind, in der Außenwirkung bei der Bevölkerung gut dazustehen und werfen dabei bewährte Bleimunition und andere Dinge über Bord, stellen uns gleichzeitig aber auf die Stufe der skandalumwitterten Robbenjäger, die Seehundbabys erschlagen. Hurra! Das alles macht für mich keinen Sinn, und ich werde kein Kammerjäger, der Wild erlegt, das nicht verwertet werden kann. Dies ist für mich neben aller Emotion auch eine Verschwendung einer Nahrungsmittelressource. Und ja, wenn die ASP kommt und an der Haustür klopft, muss über alles neu nachgedacht werden. Aber ich ziehe mir auch erst eine Jacke an, wenn es kalt ist.

Der Beitrag Unverwertbare Frischlinge erlegen? erschien zuerst auf Jäger - Deutsche Jäger-Zeitung seit 1883.


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